Roger Kunert

Deutsches Fernsehen

Afrika-Berichterstattung im deutschen Fernsehen

Die Darstellung der südafrikanischen politischen Verhältnisse zur Zeit der Apartheid im (west)deutschen Fernsehen wird am Beispiel des Anton Lubowski besonders deutlich.

Lubowski, ein junger weißer Rechtsanwalt in Windhuk, trat 1984 in die marxistisch orientierte SWAPO ein. Die „Südwestafrikanische Volksorganisation“, wie sich die ehemalige „Ovambo Volksorganisation“ (OPO) mittlerweile nannte, war die von den Vereinten Nationen  respektierte Partei der „Schwarzen“, die für die Unabhängigkeit des von Südafrika verwalteten „Namibias“, nicht zuletzt mit terroristischen Mitteln, kämpfte. So war der Eintritt des Weißen Lubowski natürlich ein aufsehenerregender Fall. Ich befand mich zu diesem Zeitpunkt im Lande und bekam die Aufregung darüber unmittelbar mit.

Ein Jahr später, im Juni 1985, setzte Südafrika eine „Übergangsregierung der nationalen Einheit“ (Transitional Government of National Unity) für Südwestafrika ein, die natürlich von den Vereinten Nationen nicht anerkannt wurde. Kurz darauf – ich war inzwischen wieder in Deutschland – wurde in einem auf Auslandsberichte spezialisierten Programm im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen ein Bericht über den Eintritt Lubowskis in die SWAPO ausgestrahlt. Der Bericht war, soweit ich das beurteilen konnte, von der Sache her richtig – nur war der zugrundeliegende Sachverhalt mittlerweile ein Jahr alt. Ein Bericht zu diesem Zeitpunkt mußte vor dem Hintergrund der veränderten politischen Verhältnisse beim unbedarften Zuschauer zwangsläufig einen völlig anderen Eindruck hervorrufen. Eine bemerkenswert diffizile Art der Meinungsmache.

Übrigens wurde Anton Lubowski am 12. September 1989 in Windhuk von einem Attentäter erschossen.

Ein anderes Beispiel manipulierender Berichterstattung. In einem Fernsehbericht werden dem Einkommen eines schwarzen Farmarbeiters in Höhe von fünfzig Rand die Lebensmittelpreise in Windhuker Geschäften gegenübergestellt. Logische Schlußfolgerung: Mit fünfzig Rand kann man nicht überleben, geschweige denn seine Familie ernähren. Die genannten Tatsachen an sich sind nicht zweifelhaft, und doch werden hier Dinge verbunden, die nichts miteinander zu tun haben. Zum einen erledigt ein Arbeiter, der auf einer Farm wohnt, die sich mitunter einhundert und mehr Kilometer von der nächsten Stadt entfernt befindet, seine Einkäufe nicht dort. Selbst die Farmer, die dort Geschäfte zu erledigen haben, nehmen die Fahrt über die oftmals endlos erscheinenden Geröllpisten nur gelegentlich auf sich. Und zum anderen hat der Farmarbeiter das im wesentlichen auch gar nicht nötig: Sein Gehalt besteht nämlich nicht nur aus diesen fünfzig Rand. Der Farmer versorgt ihn – einschließlich seiner mitunter umfangreichen Familie – mit allem Notwendigen: Der Farmarbeiter bekommt ein Häuschen zur Verfügung gestellt, erhält die landesüblichen Lebensmittel wie Maismehl, Fleisch – in der Regel vom Farmer geschossenes Wild – , Zucker usw. in überreichem Maße. Der Farmer übernimmt die Kosten für die medizinische Versorgung der Familie und die Schule für die Kinder, stellt oftmals Arbeitskleidung zur Verfügung, hilft in vielen Lebenslagen wie Behördengängen, nimmt seine Mitarbeiter auf Wunsch in die Stadt mit. Kurzum: Der Farmarbeiter hat für sich und seine Familie das „Rundum-sorglos-Paket“; die fünfzig Rand sind Taschengeld, mehr nicht. Im deutschen Fernsehen wird all dies – verschwiegen.

Natürlich hat das afrikanische Farmleben nicht viel mit dem deutschen Lebensalltag des 21. Jahrhunderts gemein. Es ähnelt wohl mehr dem auf einem ostpreußischen Gut vor einigen Jahrzehnten. Das liegt aber zu allererst an den landestypischen Verhältnissen einer unermeßlich weiten, dünn besiedelten Halbwüste.

 

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