Roger Kunert

Über die politische Kaste

Über die politische Kaste

Die griechische „Demokratie“ war ein Spiel der Elite (demos); die Masse, der Pöbel (ochlos) war davon ausgeschlossen. Die südafrikanische „Apartheid“ war im Prinzip ähnlich aufgebaut. Das heißt nicht, daß es dem „Volk“ schlecht ging. Nur war es von der politischen Willensbildung ausgeschlossen. Bei Friedrich dem Großen war es eigentlich ähnlich. Vielleicht auch bei Pinochet. Nach heutigen Maßstäben waren das allesamt Diktaturen. Aber was sagt das?!

Interessanterweise haben Diktaturen für das „Volk“ eine besondere Anziehungskraft. Ob Caesar, Napoleon, Mussolini, Hitler oder Stalin – an deren Beliebtheitswerte kommt kaum ein „demokratisch“ legitimierter Repräsentant heran.

Heute „regiert“ die Masse, der „ochlos“. Der „Souverän“ ist das „Volk“ – jedenfalls theoretisch.

Im richtigen Leben entscheiden Qualifikation und Leistung; in den Spielräumen der parlamentarischen Demokratie dominieren durch Intriganten- und Duckmäusertum beförderte Parteikarrieren.

Das fängt beim Abgeordneten an, geht über den Bürgermeister oder Landrat, den Ministerposten bis zum Kanzleramt – Menschen ohne Schul- oder Berufsabschluß, ungebildet und mit schlechten Manieren.

Und selbst wenn Qualifikationen vorhanden sind, haben sie mit dem sich angemaßten Verantwortungsbereich oftmals nichts zu tun. Wir denken hier beispielsweise an den lebhaften Wechsel der Zuständigkeiten – von einem Ministeramt zum nächsten.

Und ganz wichtig: Die Politik ist „weiblicher“ geworden! Ist sie dadurch besser geworden? Um es konkret zu sagen: Ist die Ärztin als Verteidigungsministerin oder EU-Kommissarin, die Hotelkauffrau als Bildungsministerin besser als der Außenminister ohne Schulabschluß? Ganz zu schweigen von der sogenannten Quotenfrau, deren einzige „Leistung“ in ihrer Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht besteht.

Die Verweiblichung als Indiz des Niedergangs! Dazu noch die verweiblichten „Männer“! Man versteht mich?

Man sagt, Macht verdürbe den Charakter. Ist es nicht vielmehr so, daß sie ihn offenbart?

Es scheint doch so, daß zunehmend Menschen in die Politik drängen, die es im richtigen Leben zu nichts bringen, und die zur Kompensation ihres Minderwertigkeitskomplexes herrschen wollen. Die nicht in sich ruhen, die sich selbst nicht lieben können, die sich selbst nicht vertrauen.

„Hin zum Throne wollen sie Alle: ihr Wahnsinn ist es, – als ob das Glück auf dem Throne säße! Oft sitzt der Schlamm auf dem Thron – und oft auch der Thron auf dem Schlamme."[1]

Menschen, die sich nicht mehr an Gesetze oder gesellschaftliche Gepflogenheiten gebunden fühlen, die dem Staatswesen schaden, das Volksvermögen vernichten.

Nebensächlichkeiten, die Bevölkerungsbruchteile betreffen, werden zu Spitzenthemen aufgebauscht; dagegen werden existentielle Probleme des Staates verschwiegen oder aus Unwissenheit ignoriert.

Es werden keine Fragen mehr zugelassen, keine inhaltlichen Auseinandersetzungen geduldet – stattdessen Pöbeleien und Ausgrenzung gegen Andersdenkende. Weil man ja die „alternativlose“ „Wahrheit“ gefunden hat, sich für das absolut „Gute“ engagiert.

Darin offenbart sich die Unfähigkeit auf veränderte Situationen einzugehen. Und überdies ist es ein Ausdruck der Verkrustung des politischen Systems. Überheblichkeit und Abgehobenheit durch zum Teil jahrzehntelange – oder bei „Parteisoldaten“ gar lebenslange – Entfremdung von der Realität.

Aber hier schließt sich der Kreis. Hier zeigt sich die Qualität des „politischen Personals“: ungebildete, ungehobelte Charaktere, die nicht fähig sind zur geistigen Auseinandersetzung!

Kaste statt Klasse!

„Bei Welchen liegt doch die größte Gefahr aller Menschen-Zukunft? Ist es nicht bei den Guten und Gerechten? (…) die sprechen und im Herzen fühlen: ‚wir wissen schon, was gut ist und gerecht, wir haben es auch; wehe Denen, die hier noch suchen!‘ (…) Die Guten – die waren immer der Anfang vom Ende. –“[2]

Natürlich gibt es auch Menschen, die eine gesellschaftliche Pflicht darin sehen, sich politisch zu engagieren.

Einem alten Japaner, Mitsuru Tôyama, wurde einmal geklagt, daß es in dieser Zeit keine einzige Persönlichkeit gebe. Er erwiderte darauf: „Dann müssen Sie selber eine solche Persönlichkeit werden.“ Man brauche nicht hin und her zu schauen, was die anderen trieben; es genüge, wenn man seiner Kraft vertraue und fest an sich selber glaube.[3]

Solche Menschen bringen es heutzutage aber leider in diesem Metier meist nicht weit, wenn sie nicht ihre Ideale aufgeben und sich den parteipolitischen Spielchen unterordnen.

Und es ist schon auch ein Risiko dabei.

Ana Blandiana überliefert folgende Geschichte: Als der rumänische Dichter und Dramaturg Octavian Goga 1937 zum Ministerpräsidenten ernannt wurde, bemerkte ihr Vater seufzend: „Wie schade, daß dieser große Dichter so herabstieg und Premierminister wurde.“[4]

Und dann gibt es natürlich diejenigen – vor allem in früheren Zeiten – die zum „Politiker“ werden mußten, weil sie buchstäblich dazu geboren waren. Manch einer von denen wäre vielleicht lieber Philosoph und Musiker geworden. Aber es war seine Pflicht „erster Diener des Staates“ zu werden. Da war es schon ein Skandal, wenn er, wie einmal ein britischer König, der Liebe wegen dem Thron entsagte. Dazu gehört auch Größe. Und Weisheit. Aber die ist selten geworden. Zumal bei den „Guten“ …

Anmerkungen


[1] Nietzsche, Friedrich, Also sprach Zarathustra, Leipzig 1925, S. 71

[2] Nietzsche, Friedrich, Also sprach Zarathustra, Leipzig 1925, S. 309f

[3] vgl. S. Kimase „Mitsuru Tôyama kämpft für Großasien“ München / Wien / Leipzig 1941 S. 243

[4] Blandiana, Ana, In einer spanischen Herberge, Berlin 2012, S. 101

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