Roger Kunert

Naturschutz

Naturschutz in den deutschen Kolonien

Problem-Entstehung

Die Geschichte der deutschen Kolonien begann 1884; das ökologische Problem hingegen war zu diesem Zeitpunkt, zumindest in weiten Teilen der dann unter deutsche Verwaltung gelangenden Gebiete, schon längst entstanden. Beispielsweise zog der sagenhafte Wildreichtum der afrikanischen Steppen schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts Abenteurer und Jäger in diese Gebiete, wo sie ihrem Handwerk hemmungslos und unbehindert nachgingen. So verschwand bereits 1880 auf diese Weise die letzte Elefantenherde der Etoscha.[1] Es wird allgemein davon ausgegangen, daß die Abnahme des Wildbestandes auf die Trophäenjagd des Europäers zurückzuführen war. Der Einheimische sei weder technisch dazu in der Lage noch überhaupt daran interessiert gewesen, da seine Jagd vor allem die Fleischversorgung zum Ziel hatte.[2] Allerdings gab es auch andere Beobachtungen: „Ganz schlimmen Massenmord haben von jeher die eingeborenen Jäger getrieben; sie taten sich oft zu Hunderten zusammen, kreisten Tausende von Antilopen ein und vernichteten sie restlos.“ [3]

Wirtschaftliche Aspekte

Die Jagd des Europäers auf Wildtiere hatte in erster Linie wirtschaftliche, d.h. gewinnorientierte Gründe. Wertvoll in dieser Hinsicht waren vor allem das Elfenbein des Elefanten, die Zähne des Flußpferdes, die Hörner des Nashorns, die Gehörne von Büffel, Kudu-, Elen- und Rappantilope, die Federn von Marabu, Edelreiher, Strauß und Paradiesvogel sowie verschiedenerlei Häute und Felle.
[4] Einer Statistik zufolge wurden in den Jahren 1879 bis 1883 in Afrika jährlich im Durchschnitt 848.000 kg Elfenbein gewonnen. In dieser Zeit bewegten sich die Kilopreise für Elfenbein zwischen 16,50 und 27,- Mark.[5] Bei einem durchschnittlich angenommenen Kilopreis von 21,75 Mark ergibt sich ein Wirtschaftswert von 18.444.000,- Mark. Die Beweggründe für die Nutzung dieses natürlichen Potentials liegen auf der Hand.

Rechtliche Grundlagen

Der Naturschutz in den deutschen Kolonien hat seinen rechtlichen Ursprung in dem für sämtliche deutschen Kolonien gültigen Schutzgebietsgesetz vom 17. April 1886. Die gesetzgebende Gewalt in den Kolonien hatten nach ihm das Deutsche Reich, der Kaiser und der Reichskanzler. Letzterer war verpflichtet, die zur Ausführung des Gesetzes erforderlichen Anordnungen zu erlassen bzw. die Ausübung dieser Befugnisse den Beamten der Kolonien zu übertragen. [6]

Südwestafrika

Am 1. Februar 1892 trat die „Verordnung des stellvertretenden Kaiserlichen Kommissars für das südwestafrikanische Schutzgebiet, betreffend die Ausübung der Jagd“ in Kraft, worin die mit Reit-, Zug- oder Lasttieren ausgeübte Jagd vom Besitz eines gebührenpflichtigen Erlaubnisscheines abhängig gemacht wurde. Die Jagd auf Strauße sowie die Wegnahme von Straußeneiern war in der Zeit vom 1. August bis zum 31. Oktober untersagt; das Töten von Straußenhennen und -küken, von Elefantenkühen und -kälbern war verboten; der Handel mit unrechtmäßiger Jagdbeute desgleichen. Zuwiderhandlungen wurden mit Geldstrafe bis 500,- Mark und Gefängnis bis zu drei Monaten geahndet.[7] Auf Grund dieser Verordnung kamen Handelsjagdzüge nicht mehr vor und „einigen der Hauptjäger ist ... das Handwerk gelegt worden“. [8]

Am 22. März 1907 verfügte Gouverneur Friedrich von Lindequist die Einrichtung von Wildreservaten[9]: ein Gebiet östlich von Grootfontein, ein Gebiet im Bezirk Swakopmund südlich des Swakopriviers und schließlich das Gebiet südlich, westlich und nordwestlich der Etoschapfanne.[10] Letzteres war in seiner Ausdehnung erheblich größer (99.526 km²) als das heutige Etoscha-Naturschutzgebiet (22.270 km²). [11]

Mit Datum vom 15. Februar 1909 wurde eine umfangreiche Verordnung erlassen, wonach die Jagd auf folgende Tiere bzw. Tierarten verboten wurde: Elefant, Flußpferd, Nashorn, Giraffe, Zebra, Büffel, Elenkühe, Kudukühe, Strauß, Geier, Sekretär, Springhahnvogel, Eule, Pfefferfresser, Flamingo, sowie eine Vielzahl von Antilopen und Gazellen, sofern das Gehörn bei ihnen noch nicht zum Durchbruch gekommen war. Darüber hinaus wurde auch die Wegnahme und Beschädigung von Straußen- und Perlhuhneiern verboten. Einige weitere Bestimmungen regelten Einzelheiten, z.B. die Festlegung von Schonzeiten. Verstöße gegen diese Bestimmungen wurden mit Geldstrafe bis 5.000,- Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft.[12] Die Jagd auf Robben war erlaubnispflichtig und durch Schonzeiten beschränkt; Jungtiere waren geschützt. [13]

Zusammenfassend läßt sich sagen: „Mit der Schaffung der drei Wildbanngebiete von der Größe Süddeutschlands, von denen das Wildschutzgebiet II mit der Etoschapfanne das größte Wildreservat der Erde ist, sowie mit dem Inkraftsetzen guter Jagd- und Schonzeitgesetze hat F. von Lindequist den Grund zu einer ungeahnten Zunahme des Wildes gelegt. Das ganze Land begann sich wieder mit einem normalen Wildbestand zu bevölkern.“ [14]

Ostafrika

In Ostafrika war ein allgemeiner Rückgang des Wildbestandes zwar nicht zu verzeichnen, doch waren einzelne Tierarten davon durchaus betroffen, wie z.B. das Nashorn.[15] Diesem Umstand Rechnung tragend wurden am 7. Mai 1896 eine Verordnung betreffend die Schonung des Wildbestandes in Deutsch-Ostafrika, eine Anordnung zur Schaffung von Wildreservaten sowie verschiedene Maßnahmen zum Schutze der Natur des Landes, seiner Flora und Fauna, erlassen.[16] Des weiteren wurde am 9. September 1904 eine Waldschutzverordnung erlassen[17] und am 5. November 1908 eine Jagdordnung für Deutsch-Ostafrika. Diese Jagdordnung wurde am 30. Dezember 1911 abgeändert. Für die Jagd auf Elefanten war neben einem gebührenpflichtigen Jagdschein eine besondere ebenfalls kostenpflichtige Erlaubnis der zuständigen Bezirksbehörde erforderlich, wobei die Zahl der zu jagenden bzw. zu fangenden Elefanten auf zwei beschränkt wurde, außer bei Vorlage einer besonderen Genehmigung des Reichskanzlers. Desweiteren wurde das Mindestgewicht von im Handel zugelassenen Elfenbein von fünf auf 15 kg heraufgesetzt. Die Jagd und das Töten von Elefantenkälbern sowie von Elefantenkühen in Begleitung von Kälbern war grundsätzlich verboten. Gleiches galt für Nashorn, Zebra, Giraffe, Flußpferd, Büffel, Gnu, Antilopen und Gazellen. Auf zwei Stück begrenzt war die Jagd von Nashorn (in manchen Bezirken ganz verboten), Giraffe, Elenantilope, weißer Reiher, Gnu und Büffel; auf vier Stück begrenzt von Zebra, Kudu, Spießbock, Colobusaffen, Marabu und Giraffengazelle. Verboten war die Jagd und der Fang von Strauß, Aasgeier, Sekretär, Kronenkranich, Eule, Gorilla, Schimpanse, Seekuh und Schuppentier, sowie der weiblichen Tiere von großer und kleiner Schraubenantilope, Wasserbock, Hirschantilope, Gras- und Moorantilope, Sumpfbock und Giraffengazelle. Insgesamt wurden fünfzehn Wildreservate eingerichtet. [18]

Togo und Kamerun

Mit Verordnung vom 4. März 1908 wurde die Jagd in Kamerun geregelt. Der Abschuß von jungen Elefanten mit Stoßzähnen unter zwei kg wurde verboten, ebenso die Jagd auf Weibchen. Eine Verfügung vom 21. November 1907 verbot den Handel und die Ausfuhr von Elfenbeinstoßzähnen unter zwei kg. Ein Jagdschein, mit dem nur ein einziger Elefant geschossen werden durfte, kostete nach der Verordnung vom 24. Dezember 1910 300,- Mark.

Jagdscheine, die ebenfalls die Jagd auf ein Stück beschränkten, gab es außerdem für Flußpferde, Nashörner, Giraffen und Strauße. Es wurden höchstens drei Jagdscheine für ein Kalenderjahr und einen Inhaber ausgegeben. Ein generelles Abschuß- und Fangverbot galt für Gorilla, Reiher, Marabu und Seekuh, sowie für nicht ausgewachsene und weibliche Tiere von Elefant, Flußpferd, Nashorn, Giraffe, Büffel, Antilopen und Gazellen. Die Jagd auf Flußpferde war im Bezirk Edea vollkommen verboten.

Für Togo wurde kein Jagdgesetz erlassen. Wildreservate gab es in Kamerun eines, in Togo zwei. [19]

Südsee und Ostasien

Schon frühzeitig nahm die Jagd auf Paradiesvögel in Neuguinea einen lebhaften Aufschwung, so daß ein Regelungsbedarf erkannt wurde.[20] Am 1. Januar 1892 trat dann bereits die „Verordnung betreffend die Ausübung der Jagd auf Paradiesvögel im Schutzgebiet der Neu-Guinea-Kompagnie“ in Kraft.

Danach war die Jagd vom Besitz eines gebührenpflichtigen Erlaubnisscheines, der regional und zeitlich begrenzt war, abhängig. Darüber hinaus hatte der Jäger gegenüber der die Genehmigung erteilenden Stelle wahrheitsgemäße Auskunft über Art, Zahl und Geschlecht der in einem bestimmten Zeitraum erlegten Vögel zu erteilen. Zuwiderhandlungen gegen die genannten Bestimmungen wurden mit Geldstrafe bis 1.000,- Mark oder Gefängnis bis zu einem Monat bestraft.[21] Ungeachtet der gesetzlichen Bestimmungen und des erhobenen Ausfuhrzolls nahm der Export von Vogelbälgen auch in den Folgejahren stetig zu.[22] Dies verwundert nicht, wenn man bedenkt, daß beispielsweise die 8.779 im Jahre 1911 ausgeführten Paradiesvögel einen Wert von 278.475,- Mark darstellten.[23] Darüber hinaus wird bei den letztendlich unzulänglichen Überwachungsmöglichkeiten eine illegale Jagd und Schmuggel angenommen werden dürfen. [24]

Auf Samoa war das Jagen und Fangen von Vögeln jeglicher Art, die Wegnahme von Eiern sowie das Zerstören von Nestern (mit Ausnahme von sieben Vogelarten) verboten. Auf den Marianen bestanden Jagdbeschränkungen für verwilderte Rinder und für Hirschwild; das Ausheben von Schildkröteneiern war verboten.

In Kiautschou durften Rot-, Dam- und Rehwild, Bambushühner und Rebhühner nicht gefangen werden. Desweiteren war die Wegnahme von Eiern, das Zerstören von Nestern und das Ausnehmen und Töten von Jungen bei den Vogelarten, die nicht durch die Wildschonverordnung als jagdbar bezeichnet wurden, verboten. [25]

Schonzeiten gab es in Neuguinea für Paradiesvögel, auf den Marianen für Schildkröten und in Kiautschou für die meisten jagdbaren Tiere. In Neuguinea wurden drei Wildreservate eingerichtet. [26]

Zusammenfassung

Das ökologische Problem war in weiten Teilen der späterhin kolonialen Gebiete bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts spürbar. Auf Grund dessen wurden Maßnahmen zum Schutz der Tierwelt in den deutschen Kolonien schon frühzeitig in Kraft gesetzt; sie waren – zumindest teilweise – von einem dauerhaften Erfolg gekennzeichnet. Bemerkenswert dabei erscheint, daß – zu einer Zeit als Naturschutzbestrebungen in den heimatlichen europäischen Ländern gerade erst im Entstehen begriffen waren – das Verantwortungsbewußtsein gegenüber der Natur selbst in den überseeischen Kolonialgebieten schon vorhanden war.


Anmerkungen


[1] Castell-Rüdenhausen, H., Wild- und Naturschutz in Südwestafrika; in: Kosmos 4 / 1967, Stuttgart 1967, S. 143-145

[2] Besser, H., Natur- und Jagdstudien in Deutsch-Ostafrika, Stuttgart 1917, S. 77-79

[3] Schloifer, O., Bana Uleia, Berlin 1941, S. 235

[4] Schnee, H., Deutsches Kolonial-Lexikon, Leipzig 1920, Bd. 2, S. 119

[5] Schnee, H., Deutsches Kolonial-Lexikon, Leipzig 1920, Bd. 1, S. 557f

[6] Schnee, H., Deutsches Kolonial-Lexikon, Leipzig 1920, Bd. 3, S. 317f

[7] Kolonial-Abtheilung des Auswärtigen Amts (Hrsg.), Deutsches Kolonialblatt, Berlin 1892, S. 157f

[8] François, C. von, Deutsch-Südwest-Afrika, Berlin 1899, S. 107

[9] Lenssen, H. E., Chronik von Deutsch-Südwestafrika, Windhoek 1966, S. 189

[10] Castell-Rüdenhausen, H., Wild- und Naturschutz in Südwestafrika; in: Kosmos 4 / 1967, Stuttgart 1967, S. 145

[11] Ministerium für Naturschutz und Tourismus (Hrsg.), Straßenkarte des Etoscha-Nationalparks, Windhoek o. J.

[12] Schnee, H., Deutsches Kolonial-Lexikon, Leipzig 1920, Bd. 1, S. 557; Bd. 2, S. 120f; Bd. 3, S. 429; Castell-Rüdenhausen, H., Wild- und Naturschutz in Südwestafrika; in: Kosmos 4 / 1967, Stuttgart 1967, S. 145f

[13] Schnee, H., Deutsches Kolonial-Lexikon, Leipzig 1920, Bd. 2, S. 120

[14] Castell-Rüdenhausen, H., Wild- und Naturschutz in Südwestafrika; in: Kosmos 4 / 1967, Stuttgart 1967, S. 146

[15] Reichs-Kolonialamt (Hrsg.), Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und der Südsee 1911 / 12, Berlin 1913, S. 33; Schnee, H., Deutsches Kolonial-Lexikon, Leipzig 1920, Bd. 2, S. 619

[16] Walsleben, M., Hermann von Wißmann persönlich, Bad Lauterberg 1978, S. 62; Traditionsverband ehemaliger Kolonial- und Überseetruppen (Hrsg.), Mitteilungsblatt Nr. 9, Hamburg 1959, S. 12

[17] Süsserott, W. (Hrsg.), Illustrierter Kolonial-Kalender, Berlin 1914, S. 22

[18] Reichs-Kolonialamt (Hrsg.), Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und der Südsee 1911 / 12, Berlin 1913, S. 33; Schnee, H., Deutsches Kolonial-Lexikon, Leipzig 1920, Bd. 1, S. 557; Bd. 2, S. 120f

[19] Schnee, H., Deutsches Kolonial-Lexikon, Leipzig 1920, Bd. 1, S. 557; Bd. 2, S. 120f

[20] Kolonial-Abtheilung des Auswärtigen Amts (Hrsg.), Deutsches Kolonialblatt, Berlin 1892, S. 100f; S. 476; Reichs-Kolonialamt (Hrsg.), Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und der Südsee 1911 / 12, Berlin 1913, S. 162f

[21] Kolonial-Abtheilung des Auswärtigen Amts (Hrsg.), Deutsches Kolonialblatt, Berlin 1892, S. 100f

[22] Neuhauß, R., Unsere Kolonie Deutsch-Neu-Guinea, Weimar 1914, S. 18

[23] Reichs-Kolonialamt (Hrsg.), Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und der Südsee 1911 / 12, Berlin 1913, S. 328

[24] Neuhauß, R., Unsere Kolonie Deutsch-Neu-Guinea, Weimar 1914, S. 18

[25] Schnee, H., Deutsches Kolonial-Lexikon, Leipzig 1920, Bd. 2, S. 120

[26] Schnee, H., Deutsches Kolonial-Lexikon, Leipzig 1920, Bd. 2, S. 121

 

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